AKT!ON 21

Märchenonkel im Wiener Rathaus


Mittwoch, 1. Juni 2022

Haben wir noch unabhängige Medien? Der katastrophale Absturz Österreichs in der jüngsten Nationenreihung spricht Bände. In einer Zeit, in der so viel vermeintliche und tatsächliche Korruption aufzudecken – endlich! - zum Volkssport geworden ist, hat man die Medien viel zu wenig beachtet. „Man“ ist natürlich nicht so sehr der „kleine Man(n)“, sondern die Medien selbst, die vermutlich mehr Butter auf dem Kopf haben, als auf das täglich Brot eines Journalisten geschmiert werden kann. Ob diese Butter in Inseratseiten verpackt ist, im Tiegel schwer durchschaubarer Eigentümerverhältnisse oder in purer freundschaftlicher Abhängigkeit einzelner Personen, das Ergebnis ist stets das gleiche: die Wahrheit wird zurechtgebogen, ausgespart oder so mehrdeutig formuliert, dass am Ende nur eine einzige Auslegung übrig bleibt.

Am Beispiel Heumarkt soll anhand einiger zu Gemeinplätzen verkommener Fakes, die mantraartig durch die Gebetsmühlen vom „Welterbe-Beauftragten“ der Stadt Wien gedreht und über verschiedenste Medien publik gemacht werden, öffentlich aufgezeigt werden, wie versucht wird, der Bevölkerung und den mit der Sache befassten Institutionen Sand in die Augen zu streuen und Lügen als Wahrheit zu verkaufen.

„Wien lässt sich nichts vorschreiben“

lautet der erste Hauptsatz, der für die Stadt und das Bundesland Wien die absolute Souveränität beansprucht, als gäbe es keine Bundesverfassung, keine EU-Zugehörigkeit und keine völkerrechtlichen Verträge. Tatsächlich hörte man von den „Stadtgewaltigen“, vom Bürgermeister (Michael Häupl) abwärts bis zum Landtagspräsidenten und „Welterbebeauftragten“ immer wieder, Wien lasse sich von „Außenstehenden“ nichts vorschreiben, das wäre ja noch schöner. Was in Wien geschehe, bestimmen einzig und allein die Stadtregierung und der Gemeinderat oder Landtag, je nachdem, in welcher Zuständigkeit da und dort dieselben Politiker entscheiden. Was dazu nicht gesagt wird, aber sich daraus logisch ergibt: die „Außenstehenden“, das sind die Bundesorgane, von der Bundesregierung bis zum National- und Bundesrat, die übrigen Staaten der Welt, die EU und der EuGH, sie alle können sich brausen gehen, wenn es darum geht zu entscheiden, was in Wien gebaut werden darf und was nicht.

Richtig ist, dass das Bauwesen gemäß unserer Verfassung Ländersache ist. Da kann dem Bundesland Wien tatsächlich niemand dreinreden, wenn es darum geht, was wo und wie gebaut werden darf und was nicht. Jedes Bundesland hat seine eigene Bauordnung, sein eigenes Tier- und Naturschutzgesetz, sein eigenes Auskunftspflichtgesetz und viele andere Normen, bei denen der Bund dem Land nichts dreinreden darf. Aber auch der Bund ist für bestimmte Dinge, wie den militärische Angelegenheiten, das Schulwesen oder den Abschluss von Staatsverträgen, zuständig. Wenn letztere in Ländersachen eingreifen, muss der Bundesrat, also der Vertretungskörper der Bundesländer, zustimmen (Art. 50 Abs. 1 B-VG). Die „Welterbe-Konvention“ ist ein derartiger Staatsvertrag zwischen der Republik Österreich und fast 200 Staaten der Welt, die sich zum Schutz ihrer Kulturstätten verpflichtet haben. Es ist ein schlechter Stil und eine politisch sehr kurzsichtige Einstellung, einen Vertrag nicht einzuhalten, weil man keine einschneidenden Sanktionen zu befürchten vermeint. Noch dümmer ist es, als Teil eines Kleinstaates die übrigen in der UNESCO vereinigten Vertragsstaaten öffentlich herunterzumachen, weil einem eine vor 20 Jahren begrüßte Auszeichnung nicht mehr passt, die Vertragspartner jedoch anderer Ansicht sind.

Herabsetzen statt diskutieren

Es ist also so, wie auch sonst auf dieser Welt: kaum bricht ein Land völkerrechtliche Abkommen, beeilen sich seine Politiker, der Menschheit einen Bären aufzubinden und die Opfer ihrer Vertragsverletzung selbst einer solchen zu beschuldigen. Da erhalten Vertragsbrüche andere Bezeichnungen, da spricht man von Provokationen und Eingriffen in die Souveränität, bezeichnet die Vertragspartner als inkompetent, unterstellt ihnen borniertes Verhaftetsein in vergangenen Kulturen und hat dabei selbst keine Ahnung von kulturellen Entwicklungen der Gegenwart und Zukunft.
Der Mond lässt sich durch Hundegebell nicht aus der Ruhe bringen. Er zieht seine für Millionen Jahre vorherbestimmte Bahn und kümmert sich nicht um das Gekläff. Hoffentlich.

Helmut Hofmann

(Fortsetzung folgt: Wer ist schon ICOMOS?)

Wer ist schon ICOMOS? 
von Hannelore Schmidt am 2022-06-11 um 19:21 Uhr
Die Arroganz (oder pure Primitivität?), mit der kürzlich ein politischer Vertreter international höchst renommierte Fachleute abqualifiziert hat, ist schon besorgniserregend.

Man fragt sich, was hinter solchen Entgleisungen steckt. Blinde Wut, dass nicht alles nach Wunsch läuft?

Traurig jedenfalls, dass jemand mit fachlicher Unbildung vor aller Welt eine so beschämende Visitenkarte Wiens/Österreichs abgeben kann.

Danke, dass dies hier aufgezeigt wird.
Der Märchenonkel im Rathaus 
von Hannelore Schmidt am 2022-06-11 um 19:18 Uhr
Vielen Dank für diesen Beitrag!

Steht übrigens auch schon bei Lessing: "Nicht Kinder bloß speist man mit Märchen ab!"
Man kann nur hoffen, dass die in Ihrem Beitrag angeführtre "Abspeisung" nicht gelingen wird!