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VIO PLAZA Hochhaus - Abschied vom Meidlinger Riesenloch






Sonntag, 19. Juni 2022

Vor mehr als zwei Jahren begann auf den Kometgründen in Meidling das Ausbaggern des riesigen Lochs, seither lärmt und staubt hier die von uns Anrainern ungeliebte VIO PLAZA Hochhaus-Großbaustelle mit ihren LKW-Kolonnen. Zwei Jahre lang blickten die Passanten in eine gewaltige Baugrube, nun erreichen die Stahlbetonstrukturen wieder das Oberflächenniveau, um langsam als VIO PLAZA Betonriese in den Himmel zu wachsen. Ein guter Moment, um Rückschau zu halten auf die vielen merkwürdigen Dinge, die sich seit der Projektpräsentation im Jahr 2004 ereignet haben.


Wie erwähnt handelt es sich (wie bei allen meinen Texten) um einen zwar durchrecherchierten, aber subjektiven Kommentar. Als Anrainer glauben wir nicht, dass wenige U-Bahn-Stationen von den Einkaufszentren Wien Mitte, Lugner City, Westbahnhof, sowie im Einzugsbereich der EKZ Hauptbahnhof und Auhof ein dreigeschoßiges VIO PLAZA Einkaufszentrum notwendig ist. Umso mehr, als es auf der nahen Meidlinger Hauptstraße eine Fußgängerzone mit vielen Geschäften gibt - die Behauptung, dass die Fußgängerzone durch „Synergien“ profitieren würde, halten wir für irreführend. Eher wird es einen Konkurrenzkampf geben, der beide Seiten beschädigt.


Die auf drei Ebenen vorgesehene Tiefgarage mit Ausfahrt und Ampel auf die Westeinfahrt ist aufgrund ihrer Lärm- und Abgasemissionen ebenfalls hochproblematisch. Und die ursprünglich schon 2004 geplanten vielen, vielen zusätzlichen Büros im monumentalen VIO PLAZA Baukomplex sind in Zeiten vermehrter Homeoffice-Arbeit wohl auch nicht sinnvoll. Zwar wurde ein kleiner Teil der Grundfläche in der Projektvariante 2016 durch Wohnungen ersetzt, jedoch sind viele von ihnen zur schadstoffreichen Westeinfahrt (Schönbrunner Schloßstraße) gewendet und können nur dorthin gelüftet werden. Die Luft ist dort so schlecht, dass die Flächenwidmung in den tieferen Stockwerken Wohnungen eigentlich verbietet. Die Baupolizei erlaubte sie dann trotzdem.


Ursprünglich sollte der „Turm“ rund 120 Meter hoch werden und an der Grünbergstraße stehen, mit luxuriösem Blick auf Schönbrunn. Umgekehrt hätten die Touristen dann aber auf ihren Fotos der historischen Gartenanlage nicht nur das Schloss, sondern allenfalls auch den Turm abgelichtet - ähnlich wie die Firma Wertinvest des Investors Tojner ihren Heumarkt-Turm mitten in den Wien-Blick vom Oberen Belvedere auf die Innenstadt hineinsetzen möchte.

Aus dem Turm neben Schönbrunn wurde allerdings nichts. Die Firma HPD Holding GmbH, die viele Jahre zuvor vom Architekten DI Peter Podsedensek gegründet und später verkauft worden war, lobte sodann vor beinahe 20 Jahren gemeinsam mit der Stadt Wien einen Wettbewerb zur Verbauung der Kometgründe aus. Mehrere Architektenbüros sandten Entwürfe ein, die Jury entschied sich - unter Anwesenheit von Ex-Minister Karl Schlögl - schließlich für das (anonymisierte) Projekt des Architektenbüros von DI Peter Podsedensek.

Als damals (im Jahr 2004, wenn ich mich richtig erinnere) Zeitungen über das 120 Meter hohe Wolkenkratzerprojekt mit großen Nebenbauten berichteten, bekamen die Bewohner des Areals einen Schock: Sie erfuhren aus der Zeitung, dass sie sozusagen weggeplant wurden. Empört lasen sie in den von HPD Holding GmbH und Stadt Wien präsentierten Wettbewerbsunterlagen, dass es sich bei ihren Wohnhäusern um ein „unattraktiv genutztes Areal mit leer (sic!) stehenden Gebäuden“ handle.

Am Schluss des Juryprotokolls von 2004 wurde „dem Bauherrn ausdrücklich empfohlen, im Sinne einer optimalen städtebaulichen Gestaltung, möglichst alle Grundstücke zu erwerben“. Tatsächlich leisteten viele Mieter und Eigentümer auf den Kometgründen heftigen Widerstand gegen den Druck, in Ersatzwohnungen umzusiedeln, sodass es bis 2014 (!), also ein Jahrzehnt, dauerte, bis alle Grundstücke erworben, alle Eigentümer und Mieter abgesiedelt und alle Gebäude abgerissen werden konnten.

Die befristete Flächenwidmung
Bei einer BürgerInnenversammlung im Jahr 2007 in der Berufsschule Längenfeldgasse versicherten die Bezirksvorsteherin Gabi Votava und die Bauwerberin HPD Holding GmbH, dass es eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) geben werde. Jahre später kämpfte die HPD Holding GmbH erbittert mit einem eigenen dritten, auf UVP-Recht spezialisierten Anwalt gegen die Forderung der Anrainer nach einer UVP.

Der Turm war inzwischen sozusagen „kleiner und dicker“ geworden (schmunzelnde Anrainer sprachen auch von „klein und blad“), da es auch am neuen Standort, dicht an der Außengrenze der Welterbe-Pufferzone, Bedenken der UNESCO gab. Aus Gründen, die wir Anrainer nie ganz herausgefunden haben, hat der Gemeinderat beim Beschluss des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes im Jahr 2008 festgelegt, dass die Hochhauswidmung nur fünf Jahre lang gültig sei. Wenn das Projekt bis zum 31.10.2013 nicht „realisiert“ sei, verfalle die Hochhauswidmung, und es gelte wieder die Gründerzeithaus-Widmung mit 3- bis 4-stöckigen Häusern.

Bis ins Jahr 2019 gab es in den Behördenverfahren wilde Meinungsverschiedenheiten zwischen Anrainern einerseits und Behörde und Bauwerberin andererseits, was unter „Realisierung“ zu verstehen sei. Eine „Realisierung“ eines Projekts sei eigentlich ein Baubeginn, versicherte mir kürzlich eine Dame aus der Stadtbaudirektion. Allerdings: Der Baubeginn fand erst Anfang 2020 statt, also mehr als sechs Jahre nach Auslaufen der Flächenwidmung. Und selbst wenn unter „Realisierung“ eine gültige Baubewilligung zu verstehen ist und somit kein Baubeginn nötig wäre: Zum Stichtag 31.10.2013 gab es auch keine rechtsgültige Baubewilligung!

Das Einreichprojekt von 2011 mit erstinstanzlichem Baubescheid von Anfang 2013 enthielt einige seltsame Details (etwa ein schadstoffreduzierendes Luftgebläse, das nicht funktionieren kann, wie ein Gutachter nachgewiesen hat, und einige „Merkwürdigkeiten“ bei den Umweltgutachten, um es hier einmal vorsichtig anzudeuten) und war aus verschiedenen Gründen nicht bewilligungsfähig.

Die Bauwerberin zog deshalb Anfang Juli 2013 den Antrag für die Tiefgarage inklusive sämtlicher Umweltgutachten (Verkehr, Luftschadstoffe, Lärm) zurück, und die damalige Bauoberbehörde erließ im September 2013, knapp einen Monat vor Erlöschen der Hochhauswidmung, einen zweitinstanzlichen Baubescheid ohne Berücksichtigung irgendwelcher Umweltgutachten. Die Stabstelle Recht der Baupolizei teilte mir am 20.5.2014 schriftlich mit, dass diese Vorgangsweise jedoch absolut rechtswidrig war und der Bescheid somit ungültig sei: „Nach den baurechtlichen Bestimmungen [...] sind bei der Beurteilung eines Bauwerkes auf seine Zulässigkeit auch Aspekte der Auswirkungen dieses Bauwerks auf dessen Umfeld bzw. auf die Umwelt zu berücksichtigen. [...] Eine Trennung in der von Ihnen skizzierten Form, wonach die Baubewilligung keinerlei Aspekte zum Umfeld bzw. Umwelt enthält und die gewerberechtliche Betriebsanlagenbewilligung alle diese Aspekte umfasst, besteht daher grundsätzlich nicht.“

Beim Auslaufen der befristeten Flächenwidmung am 31.10.2013 gab es also nicht nur keinen Baubeginn, sondern nicht einmal eine rechtsgültige Baubewilligung. Ist die aktuelle VIO PLAZA Baustelle also ein Schwarzbau? Das ist jedenfalls eine sehr spannende Frage, die geklärt werden sollte. Die jetzigen Bauherren (eine Firma aus der Raiffeisen-Gruppe) kennt diese dubiosen Vorgeschichten im Bewilligungsverfahren übrigens gar nicht, wie ich mich überzeugen konnte.

Der erwähnte Bescheid der inzwischen aufgelösten Bauoberbehörde vom September 2013 wurde übrigens später auch aus anderen Gründen vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. Wir Anrainer, als Bürgerinitiative organisiert, sind weiterhin der Meinung, dass die Hochhauswidmung am 1.11.2013 erloschen ist. Die Behörden argumentierten später jedoch, dass sogar der Wille und die Bereitschaft, etwas zu bauen, bereits als „Realisierung eines Projekts“ anzusehen sei. Dies ist eine originelle Rechtsauslegung und hat amüsante Konsequenzen. Demnach wäre in Österreich nämlich auch das Donaukraftwerk Hainburg und ein funktionierendes Atomkraftwerk in Zwentendorf „realisiert“ worden, wenn also alleine der Wille zum Bau als Realisierung gilt. Ja, sogar die Verlängerung der Westautobahn über den Naschmarkt zum Stadtpark wäre somit „realisiert“ worden, weil der Wille dazu im Autobahnkonzept von 1971 geäußert wurde.

Umplanungen
Die folgenden Jahre nach 2013 brachten unzählige Bewilligungsverfahren von unterschiedlichsten Projektvarianten, wir Anrainer studierten weitaus mehr als tausend Aktenseiten mit Tabellen und Gutachten. Die Projektvariante, um die es 2013 ging, war im Nordwesten geschrumpft worden, weil sich die dortigen Hausbesitzer noch weigerten zu verkaufen. 2015 wurde dann parallel zum existierenden Projekt (dessen Bescheid der VwGH aufgehoben hatte) eine größere VIO PLAZA Projektvariante eingereicht, da nun das gesamte Areal im Besitz der Bauwerberin war. Ende 2015 bzw. Anfang 2016 wurde dieses Projekt zurückgezogen und nach kurzer Zeit ein weiteres eingereicht, bei dem ein Teil der Büros durch Wohnungen ersetzt wurde.

Der nicht funktionsfähige „Luftschleier“ für die Garagenausfahrt, der das Austreten der Abgase aus der Garage in die Westeinfahrt um 90 Prozent reduzieren sollte, wurde (nach unserem Wissen) aus dem Projekt entfernt, weil er nicht funktionsfähig wäre. Ansonsten folgte das Verwaltungsgericht Wien (das als neue 2. Instanz die frühere Bauoberbehörde ersetzte) leider in zahlreichen Aspekten (keine Realisierung zum Stichtag des Auslaufens der Flächenwidmung, fragwürdige Aspekte in den Umweltgutachten) der Sichtweise der Bauwerberin. Mein persönlicher Eindruck war immer wieder, dass die Juristen, die in solchen Gerichten tätig sind, von den Gutachter-Streitigkeiten fachlich überfordert sind. Leider wurden zur Beurteilung des Vio Plaza Großprojekts keine unabhängigen Gerichtsgutachter bestellt. Als Anrainer-Bürgerinitiative hat man logischerweise nicht das Geld für eine Armada an teuren zertifizierten Gutachtern.

Theoretisch sollten die Amtssachverständigen der Stadt Wien, die der damaligen Umweltstadträtin unterstanden, die vorgelegten Gutachten auf ihre Richtigkeit prüfen. Die Stadtregierung stand jedoch immer fest hinter dem Projekt.

Die Medien waren sowieso von diesen komplexen fachlichen Aspekten überfordert und berichteten im Wesentlichen, dass die Politik das Projekt wolle, und eine Bürgerinitiative dagegen kämpfe. Mehr in die Tiefe des Themas gingen die vielen Zeitungsberichte leider nicht.

Die Bauphase
Nach unseren Informationen und laut Medienberichten wurde etwa Mitte Januar 2020 das riesige Areal der Kometgründe von der Firma HPD Holding GmbH an die „Real Treuhand“ verkauft. Letztere ist Teil der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich Gruppe. Das Projekt VIO PLAZA enthielt nun auch etwa 265 Hotelzimmer im Turm, die in den Bewilligungsverfahren zuvor noch nicht vorkamen („Hotel O2“). Laut neuem Bauträger wird es ca. 22.000 Quadratmeter Büros für ca. 1.250 Arbeitsplätze geben, sowie 166 freifinanzierte Mietwohnungen.

Da sich unter dem Bauareal mit schwefelhaltigem Grundwasser getränkte Kiese und Sande befinden, musste zunächst rundherum eine bis in etwa 40 Meter Tiefe reichende Schlitzwand getrieben werden. Die Probebohrungen hatten jedoch anscheinend nicht gezeigt, dass sich im Untergrund eine steinharte Schicht verbarg. Das Zerschlagen und Durchbrechen dieser Schicht bewirkte, dass sogar weit entfernte Häuser wochenlang erschüttert wurden. Es gab Risse in Wänden, massive Lärmbelästigung und sogar Sprünge in Fensterscheiben.

Beim Aushub der gewaltigen Massen warteten oftmals Kolonnen von LKWs mit laufendem Motor vor der Baustelleneinfahrt. Das Interessante ist ja, dass nur eine UVP auch die Belastungen der Bauphase beurteilt hätte. Ein „normales“ Bauverfahren ignoriert die Umweltaspekte der Bauphase. Niemand, weder die Baubehörde, noch die tätige Tiefbaufirma, konnte uns beispielsweise auch nur annähernd die Gesamtzahl der LKW-Fuhren nennen, die beim Bau des VIO PLAZA Projekts notwendig sein würden und zusätzlich die Westeinfahrt belasten. Eine grobe Schätzung von uns Anrainern anhand des Aushub-Volumens und des Fassungsvolumens eines typischen verwendeten LKWs ergab etwa 30.000 LKW-Fuhren alleine für den Aushub.

Seit dem Frühjahr 2020 wird Tag und Nacht schwefelhaltiges und somit schwach giftiges Grundwasser in den Wienfluss gepumpt. In einem Zwischenbecken soll der gesundheitsschädliche Schwefelwasserstoff zumindest teilweise abdampfen, deshalb stinkt es je nach Wetterlage stark nach fauligen Eiern, wie auch der am 1. Juni 2022 erschienene KURIER-Artikel feststellte. (Der ursprüngliche Titel im Online-KURIER, „Die stinkenden Kometgründe“, wurde anscheinend im letzten Moment auf „Die Wandlung der Kometgründe“ geändert! Naja, sowohl der Bauträger, als auch der KURIER gehören mehrheitlich zur großen Raiffeisen-Gruppe.) Die von mir kontaktierte MA 22 teilte mir übrigens mit, dass keine Messungen der Schwefelwasserstoff-Konzentration in Luft und Wienfluss-Ablauf gemacht würden.

VIO PLAZA wächst
Vor Errichtung der ca. 16 Meter tiefen Betonwanne wurden unter der Bodenplatte der künftigen Tiefgarage mehrere hundert Beton-Tragsäulen versenkt, damit sich das VIO PLAZA Hochhaus im weichen nassen Untergrund nicht senkt oder neigt. Dieses Schicksal hatte ja einst nicht nur der Turm in Pisa, sondern auch das „Haus der Sowjets“, ein Hochhausprojekt im russischen Kaliningrad. Wo einst das Schloss von Königsberg (samt Bernsteinzimmer) stand, wurde 1967 ein Hochhaus errichtet, das sich im feuchten Untergrund so stark neigte, dass der riesige Rohbau über Jahrzehnte bis heute ungenutzt stehen blieb und vielleicht abgerissen werden soll.

Nach Fertigstellung der VIO PLAZA Wanne wurden drei Tiefgaragen-Ebenen eingezogen. Die meisten der rund 450 Stellplätze werden jedoch nur Dauermietern zur Verfügung stehen - dies nach unserer Meinung deshalb, weil sonst eine UVP unvermeidlich gewesen wäre. Und diese hätte, aus verschiedenen Gründen (primär wegen der enormen Schadstoff-Immissionen für die umliegenden Wohnhäuser und Passanten), das Projekt möglicherweise zu Fall gebracht. In der obersten der vier Kellerebenen befindet sich jetzt schon der umgeleitete Rechte Wiental-Hauptsammelkanal mit den WC-Abwässern eines großen Teils von Hietzing. Auf dieser Ebene, durch eine Betonwand vom Kanal getrennt, soll künftig ein großer Lebensmittelmarkt einziehen.


Oft muss ich noch an all die Menschen denken, die auf den Kometgründen ihre Wohnungen hatten, wo sie jahrzehntelang gelebt hatten und dann wegen des VIO PLAZA Projekts gegen ihren Willen umsiedeln mussten. Und an die eher einkommensschwachen heutigen Bewohner des unteren 12. und des 15. Bezirks. Ob nämlich das rund 10.000 Quadratmeter große Einkaufszentrum mehr Erfolg haben wird als das einstige kleinere Einkaufszentrum im benachbarten „U4 Park Shop“, dem nur eine kurze Lebensdauer beschieden war, wird sich zeigen. Aber dann ist das Projekt vermutlich längst weiterverkauft worden, vielleicht an irgendeinen Fonds, der das weitere Schicksal ausbaden muss.

BI Kometgründe
Gerhard Hertenberger,