AKT!ON 21

Gilt unsere Verfassung noch ?


Freitag, 27. März 2020

Die Republik Österreich besteht aus 9 Ländern und dem von diesen gebildeten Bund. Dieser ist für alle Aufgaben zuständig, die im gemeinsamen Interesse der Länder liegen.


Eine der wesentlichen Aufgaben des Bundes ist der Abschluss von (Staats-)Verträgen mit anderen Staaten. Solche vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) getragene Verträge sind für die Republik Österreich und nicht bloß für den Bund verbindlich.

Dem trägt das von Hans Kelsen vorbildlich und umsichtig gestaltete Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) Rechnung. Es sieht vor, wie die Erfüllung von Staatsverträgen auch dann gewährleistet werden kann, wenn ein Bundesland dabei seine Mitwirkung verabsäumt oder gar verweigert. Diesfalls ist die Bundesregierung ermächtigt, den Ländern vorbehaltene Aufgaben an sich zu ziehen und „die erforderlichen Maßnahmen zu treffen“. (Art. 16 Abs. 4 B-VG). Es bleibt der Bundesregierung vorbehalten, welche Maßnahmen sie dafür als geeignet ansieht; das B-VG erwähnt dabei ausdrücklich sogar die Erlassung von Landesgesetzen – gleichsam als das Maximum der denkbaren Eingriffe. (Art. 16 Abs. 5 B-VG, Art. 103 B-VG).


Was war geschehen?

Bislang konnte man davon ausgehen, dass Mitgliedern des Bundesrates - so wie auch jenen des Nationalrates – die österreichische Verfassung wenigstens in ihren wesentlichen Grundzügen bekannt sei und nicht in Frage gestellt würde. Seit 12. März 2020 haben wir es amtlich bestätigt: es gibt Mitglieder des Bundesrates, die sich im Brustton der Überzeugung von unserer Verfassung distanzieren, als sei diese nicht mehr als ein Fetzen Papier.
Was war geschehen? Zwei Abgeordnete stellten einen Entschließungsantrag, die Bundesregierung möge das Land Wien per Weisung zu Maßnahmen verhalten, die Wiens Innenstadt den Erhalt des Welterbe-Prädikates sichern. Dahinter steht die wohlbegründete Ansicht der UNESCO, dass Österreich durch Zulassung des „Heumarkt-Projektes“ das von ihm ratifizierte Welterbe-Abkommen verletzt habe und es an der Republik Österreich liege, das Land Wien zur Einhaltung seiner Pflichten aus diesem Staatsvertrag zu veranlassen.


Worum geht es?

Es geht dabei natürlich um das Heumarkprojekt. Und es geht darum, ob der Bundesrat die richtige Bühne für das Schauspiel abgibt, welche politische Partei für oder gegen das Projekt, für oder gegen den Rechtsstaat sei. Das ist business as usual geworden, über das man nach ehr als einem halben Jahrzehnt schon ein wenig Langeweile empfinden könnte. Nein, seit 12. März 2020 um etwas ganz anderes, Unfassbares und Ungeheuerliches: dass die Salzburger Abgeordnete Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP) in öffentlicher Sitzung ungestraft von sich gibt, dass man es als föderale Kammer grundsätzlich nicht gut heißen könne, wenn im Falle unterschiedlicher Meinungen die Regierung Weisungen an die Landtage erteilen solle und der Wiener Abgeordnete Marco Schreuder (Grüne) noch eins draufsetzt und die im Antrag formulierte Vorgangsweise - die Bundesregierung in die Pflicht nehmen soll, dem Land Wien eine entsprechende Weisung zu erteilen und so den Welterbe-Status zu bewahren - gar als abstrus bezeichnete. Wer eine von der Verfassung ausdrücklich vorgesehene Vorgangsweise dann, wenn sie tatsächlich geboten erscheint, abstrus nennt, stellt sich in den Verdacht, für nur jene Verfassungsbestimmungen gelten zu lassen, die ihm in seinen politischen Kram passen. Und das ist schon bedenklich nahe an verfassungsrechtlicher Willkür, von der wir wissen sollten, wohin sie führen kann.


Was nun?

Gleich, aus welchem Grund – Ahnungslosigkeit, Unbedarftheit, bewusstes oder unbewusstes Unterminieren der bundesstaatlichen Verfassung – solche Äußerungen getätigt wurden, muss ihnen mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden, um nicht dem Image eines Schurkenstaates zu verfallen oder, noch schlimmer, eines Tages in einer illiberalen Demokratie aufzuwachen, die man auch als Vorhölle zur Diktatur ansehen kann. Es liegt an den Hütern der Verfassung, vorrangig dem Bundespräsidenten, solchen Wortspenden eine entschiedene Absage zu erteilen. Und es ist mehr als bedenklich, dass diese erst von einer NGO aufgezeigt werden müssen. Einer unabhängigen und keiner politischen Partei zugeneigten NGO, der die Politiker gerne, wann immer sie sich zu Wort meldet, mangelnde demokratische Mündigkeit ansinnen,

Helmut Hofmann