Dienstag, 19. Mai 2015
Was auch immer unterm Strich herauskommen wird: der Ansatz, als Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung mit allen im Gemeinderat vertretenen politischen Parteien in einen permanenten Dialog über Bürgerbeteiligung einzutreten, gab Anlass zur HoffnungDass sich heute keine ernst zu nehmende politische Kraft mehr getraut, Bürgerbeteiligung grundsätzlich abzulehnen, mag auf der Habenseite unserer nun schon über ein Jahrzehnt andauernden beharrlichen Bemühungen zu verbuchen sein. Was wir als „Initiative Wiener Bürgerinitiativen“ begonnen und als etablierte NGO „Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung“ durch Bündelung der Kräfte von inzwischen über 100 Wiener Bürgerinitiativen fortgesetzt haben, ist aus dem politischen Leben dieser Stadt nicht mehr wegzudenken. Die Bürgerinnen und Bürger haben dabei gezeigt, dass sie auch konstruktive Beiträge zur Stadtpolitik leisten können. Das früher so gerne und oft herbeigerufene Verhinderer-Image hat ausgedient, ohne dass wir unserer Idee auch nur im mindesten untreu geworden wären. Allerdings müssen wir davon ausgehen, dass jede Partei unter Bürgerbeteiligung etwas anderes versteht, auch wenn alle behaupten, unseren vor Jahren der für Bürgerbeteiligung zuständigen Stadträtin übergebenen Forderungskatalog zu kennen. Gute „FEE“ mit Abstrichen Dementsprechend variiert die Sicht auf unsere Grundforderungen, die im Akronym der guten „FEE“ gebündelt sind: frühzeitige, ehrliche und ergebnisoffene Einbindung der Bevölkerung. Weitest gehende Übereinstimmung besteht in der Frage der Frühzeitigkeit. Keine Partei zweifelt daran, dass eine möglichst frühe Einbindung der Bevölkerung dieser das Gefühl gibt, nicht überfahren zu werden und geeignet ist, das Vertrauen in die Politik wiederzugewinnen. Dies gilt ganz besonders auch für die Ehrlichkeit oder Transparenz. Alle Parteien betonen zumindest, dass ihnen die Wichtigkeit dieser Forderung bewusst ist und dass sie sie ernst nehmen. Ob sie auch wirklich gewillt sind, sie lupenrein umzusetzen, bleibt abzuwarten. Skepsis ist vor allem deshalb angebracht, weil das Bekenntnis zur Ergebnisoffenheit noch endenwollend ist. Offenbar ist das Denken der Politik noch meilenweit davon entfernt, sich aufgrund der Meinung der Bevölkerung zur Änderungen von Vorhaben durchzuringen, die über kosmetische Operationen hinausgehen. Das Symptom, das auf diese Unwilligkeit deutet, sind die zahlreichen Vorbehalte, die einer wirksamen Partizipation in den Weg gestellt werden und die den mangelnden Willen erkennen lassen, das Problem anzupacken und lieber eine weniger gute als gar keine Lösung zu finden. Es verwundert nicht, dass der hinhaltende, nicht als solcher deklarierte, sondern im Gewand besorgter Skepsis gekleidete Widerstand von Seiten der Regierenden in der Gemeinde, aber auch im Bund, kommt. Künstliche Skepsis Bei allem Verständnis für die Pragmatik der SPÖ, die zu bedenken gibt, dass sich politische Apparate nicht so schnell verändern, kann etwa in der Instrumentalisierung von Bürgerinitiativen (!) kein mögliches Beteiligungs-Problem erkannt werden. Gerade bei dem von der SPÖ gegenüber dem bottom-up-Prinzip favorisierten Dialog auf gleicher Augenhöhe ist nicht nachvollziehbar, worin die Gefahr einer Vereinnahmung gesehen werden könnte. Die ÖVP kann sich, obwohl Vorreiterin des e-Voting, mit einer einfachen, flexiblen Erfassung aller Partizipationswilligen, wie sie von Aktion 21 vorgeschlagen wird, noch nicht recht anfreunden. Die Grünen wiederum setzen auf einen elaborierten Masterplan, der ziemlich weit von einer einfach zu handhabenden Praxis entfernt ist und dessen „Studium“ jenen einfachen Menschen, die man für eine demokratische Mitsprache gewinnen will, sicher nicht zugemutet werden kann. Zudem bieten die vielen ausgetüftelten Details eine Reibungsfläche mit dem Koalitionspartner, die selbst bei gutem Willen auf beiden Seiten eine Einigung in absehbarer Zeit nicht wahrscheinlicher macht. Nicht umsonst sprechen beide Rathauskoalitionspartner von einem umfangreichen Regelwerk (!!), als könne man Bürgerbeteiligung nach dem Muster von Geschäftsordnungen gesetzgebender Körperschaften reglementieren. Selbst die NEOS kauen an der formalen Frage, wann Bürgerbeteiligung stattfinden solle, als handelte es sich nicht um etwas Selbstverständliches, sondern um etwas ganz Besonderes, mit dem man sehr sorgfältig und behutsam umzugehen habe, damit ja nichts Schlimmes angerichtet werden könne. All diese Skepsis rührt auch daher, dass Partizipation immer noch mit direkter Demokratie verwechselt wird. Da wird es noch manche beharrliche Diskussion erfordern, um das Umdenken von der Mehrheitskeule zum Konsensmodell selbstverständlich zu machen. Wenn man das einmal erfasst hat, wenn verstanden wird, dass partizipative Prozesse auch dann, wenn sie ernst genommen werden, ehrlich und ergebnisoffen ablaufen können, wird die Scheu vor einer ohnedies nicht erzwingbaren Verbindlichkeit abgelegt werden können. Untragbares Nicht abfinden kann man sich mit dem Eingeständnis der GRÜNEN, dass es sich bei Danube Flats und Eislaufverein um negative Beispiele aus der „Vergangenheit“ gehandelt habe, bei denen eine entsprechende Einbindung der betroffenen Bevölkerung versäumt wurde, zumal der von der Frau Vizebürgermeister erbetene und ihr nach einigen Monaten intensiver Arbeit von Aktion21 überreichte Partizipations-Forderungskatalog jahrelang unberührt im Schoß der MA 21 dahingedämmert hat. Da für beide Projekte noch keine öffentliche Auflage des Flächenwidmungsplans erfolgte, kann keine Rede davon sein, dass es für eine Einbindung der Bevölkerung zu spät sei – es sei denn, man misst den von den Bürgerinnen und Bürgern zu erwartenden Stellungnahmen zur Flächenwidmung im vorhinein Papierkorbqualität zu. Weitere Problemfelder Interessant ist, dass politische Parteien interessante Forderungsansätze zeigen, die über jene von Aktion 21 hinausgehen. Die FPÖ tritt für eine Parteienstellung von Bürgerinitiativen auch außerhalb von UVP-Verfahren ein, eine Forderung, die dort, wo die Behörden das öffentliche Interesse gegenüber dem Einzelinteresse von Investoren nicht ausreichend wahrnehmen, hochaktuell ist. Eine Forderung der GRÜNEN betrifft den Umgang mit internationalen Abkommen und EU-Richtlinien (Strategische Umweltprüfung, Welterbekonvention), eine andere, die auch auf Bundesebene erhoben wird, die Forderung nach mehr Transparenz. Eine weitere Ankündigung der GRÜNEN sind verbindliche Befragungen, für die drei verschiedene Varianten vorgesehen sein sollen. Wer entscheidet, wann und wo solche Befragungen stattfinden und wie – ohne Verfassungsänderung – die Verbindlichkeit des Resultates festgeschrieben sein soll, ist noch nicht bekannt. Hoffnungsschimmer Immerhin können die ersten Gespräche als Signal aufgefasst werden, dass Bürgerbeteiligung auf der Tagesordnung bleibt. Alle Parteien haben sich zur Fortsetzung der Gespräche bekannt. Wohlgemerkt: Gespräche, die noch vor wenigen Jahren der alleinregierenden SPÖ in monatelangen vergeblichen Versuchen mühsam abgerungen werden mussten. Es liegt nun an uns, durch eine Fortsetzung der ersten Kontakte zu einem Umdenken beizutragen, das letztlich zu einem Wiener Erfolgsmodell Partizipation führen könnte. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass der Dialog ehrlich und ohne taktische Überlegungen geführt wird. Erstaunlicherweise liegen unsere Ansichten und die der Parteien gar nicht so weit auseinander. Bei so viel Übereinstimmung sollte eine für alle gute Lösung keine Utopie sein. Helmut Hofmann |