AKT!ON 21

Wen soll ich wählen?


Dienstag, 6. Oktober 2015

Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung hat im Juli allen im Rathaus vertretenen politischen Parteien folgende Frage gestellt:

„Sind Sie bereit, eine gesetzliche Verankerung partizipativer Demokratie aktiv zu unterstützen,
- die über die Abhaltung von Bürger_innenversammlungen und die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme zu Widmungsänderungen hinausgehen und
- gemeinsam mit allen im Gemeinderat vertretenen Parteien ausgearbeitet werden soll“ ?

Die NEOS
(Beate Meinl-Reisinger) antworteten: „Es ist fixer Bestandteil unserer Positionen zu Partizipation in Wien – nachzulesen auf wien.neos.eu – dass verbindliche Kriterien für Bürgerbeteiligung in die Stadtverfassung gehören.“ Dem ist wenig hinzuzufügen, außer dass die NEOS noch keine Gelegenheit hatten, ihre mit uns voll übereinstimmenden Ansichten realpolitisch umzusetzen. Die Erfahrungen mit den Grünen, die sich, wenn auch mit Vorbehalten, stets zur Bürgerbeteiligung bekannt hatten, lehren, dass sich das Thema nach Eintritt in die Regierung anders lesen lässt.
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Die SPÖ
(Antwort von DI Rudolf Schicker) „hat sich mit ihrem Regierungspartner unterhalten, wo und wie Weiterentwicklung direkter und partizipativer Demokratie möglich ist.“ und meint, „dass es nicht immer nur gute und konstruktive Kräfte sind, die repräsentative Demokratie durch ein plebiszitäres System ersetzen wollen.“
Nun, wer will das? Aktion 21 vielleicht? Mit der gleichen Berechtigung könnten wir sagen: „Es sind vor allem die Anhänger totalitärer Regimes, die sich so vehement gegen Bürgerbeteiligung stemmen.“
Nach einer Seite nichtssagender Worthülsen folgt, wie schon unmittelbar vor Gründung der Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung vor 9 Jahren - der verbale Stinkefinger: „Wir sind aber im Gespräch mit vielen an der Sache Interessierten – und wollen es auch mit Ihnen bleiben – jedoch gibt es aus unserer Sicht noch kein endgültiges Ergebnis dazu, sodass auch eine legistische Festlegung zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nicht möglich sind. (sic!).“
Bedarf das noch eines Kommentars? Verrät nicht schon die schludrige Sprache, wie wenig ernst man in der Wiener SPÖ das Thema Bürgerbeteiligung nimmt? Lehrt der seit 2006 ständig anhaltende dramatische Wählerschwund immer noch nicht, dass es unklug ist, zigtausende Bürgerinnen und Bürger immer wieder zu entmündigen, über ihre Köpfe hinweg selbstherrlich zu entscheiden und sie obendrein noch als schlechte, nicht konstruktive Kräfte zu denunzieren?
Ist man wirklich so politisch einfältig, direkte Demokratie in einen Topf mit partizipativer zu werfen, oder steckt da Kalkül dahinter, weil man jede Form der Mitsprache der Bevölkerung fürchtet wie der Teufel das Weihwasser? Und die Wahlen – würde man die auch am liebsten abschaffen, wenn ein unangenehmes Resultat droht? Und was dann?
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Die FPÖ
(Mag. Johann Gudenus) hat erstmals seit Einführung der speziellen Aktion 21-Fragen zur Bürgerbeteiligung vor Bundes- und Landeswahlen geantwortet. Die ausführliche Stellungnahme ist ein grundsätzliches Bekenntnis zu „gesetzlich verankerter Bürgerinformation, Bürgerbeteiligung und Bürgermitbestimmung in allen Anwendungsbereichen“, zu Bürgerversammlungen und zur Ausarbeitung entsprechender Gesetze gemeinsam mit den anderen Parteien.
Allerdings ist das „vorbehaltlose Nein zum Begriff partizipative Demokratie in der politischen Arbeit hinzuzufügen, den die FPÖ als „erlebte Mitmachfalle negativ belegt“ sieht.
Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung war seit ihrer Gründung auch mit den Instrumentarien der direkten Demokratie konfrontiert und tritt aus guten, realpolitischen Gründen für eine Beteiligungsform ein, die auf ein Minimum an durchsetzbaren Regeln und auf ein Maximum an demokratischer Bewusstseinsbildung abzielt. Dabei ist sie sich der „Beteiligungs- oder Mitmachfalle“ sehr wohl bewusst und hat sich ihr bisher mit Erfolg entzogen, ohne dabei Zusammenarbeit mit (allen) politischen Parteien in einzelnen Sachfragen grundsätzlich abzulehnen. Wir vertreten auch die Meinung, dass in Fällen, in denen ein Konsens in gebotener Zeit nicht erzielbar erscheint, direkte Demokratie (z. B. Befragung oder Abstimmung) der letzte Ausweg sein sollte. Wir meinen aber, dass ein ausgefeiltes Regelwerk für direkte Demokratie – etwa nach Schweizer Vorbild – zu jahrelangen, fruchtlosen Diskussionen führen würde, die als manchen willkommener Anlass dienen würde, eine nennenswerte Verbesserung der derzeitigen Beteiligungsformen bis zum Nimmerleinstag hinauszuzögern - auch das ist nämlich eine Falle, in die wir nicht tappen wollen.
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Die GRÜNEN
(Jennifer Kickert) „sind bereit, eine gesetzliche Verankerung aktiv zu unterstützen, nachdem mit möglichst vielen, unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten und in möglichst vielen Politikbereichen Erfahrungen gesammelt wurden und die Ausarbeitung einer möglichen gesetzlichen Verankerung - über die im GR vertretenen Parteien hinaus - auch mit Fachöffentlichkeit und in diesem Bereich tätigen Organisationen erfolgt.“ Begründet wird dies damit, dass in Parteienverhandlungen über gesetzliche Initiativen am Beginn des Prozesses oft nur kleinste gemeinsame Nenner gefunden bzw. sehr rigide oder unflexible Vorgangsweisen festgeschrieben werden.

Abgesehen davon, dass diese Stellungnahme viele Wochen nach jenen der anderen Parteien eingelangt ist, stellt sich die Frage, was in der für Bürgerbeteiligungsfragen zuständigen Magistratsabteilung von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou in den letzten 5 Jahren geschehen ist, außer dass ihr Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung als Fachöffentlichkeit und eine in diesem Bereich tätige Organisation vor 4 Jahren ein von ihr erbetenes, ausgereiftes Konzept übergeben hat und nie wieder etwas darüber hören durfte. Angesichts dieser Tatsache mutet die Ansage, mit möglichst vielen, unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten und in möglichst vielen Politikbereichen Erfahrungen sammeln zu wollen (wie lange noch?) als nichts anderes denn als Hinhaltemanöver einer Partei an, die sich aus der Opposition lautstark für Bürgerbeteiligung eingesetzt hat, ohne offenbar zu wissen, wie das Ziel dieses Einsatzes aussehen sollte. Man sollte aber bei aller Enttäuschung die Ehrlichkeit nicht verkennen, mit der die Grünen eingestehen, dass Bürgerbeteiligung für sie nun ein weit in der Zukunft liegendes, noch völlig nebuloses Szenario ist.
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Die ÖVP
(Mag. Hefelle) begnügt sich damit, auf zwei Einladungen der ÖVP zu Pressekonferenzen aus den Jahren 2012 und 2014 zu verweisen, in denen sie sich unter anderem auch mit Fragen der Bürgerbeteiligung auseinandergesetzt hat. Freilich versteht sie darunter etwas ganz anderes als partizipative Demokratie, so dass die meisten ihrer „Antworten“ an unserer Frage vorbeigehen. 2012 verstand die ÖVP unter Bürgerbeteiligung ein „Demokratiepaket für Wien“, die Einrichtung eines „Bürgerbeteiligungs/Petitionsausschusses“, eine „Wiener Bürgeranfrage“ ab 1000 Unterstützer, ein bindendes Ergebnis von Volksbefragungen, direkte Demokratie per Internet und ein Regierungshearing für Mitglieder des Stadtsenates (!). 2014 erklärte die ÖVP: „Mitbestimmung braucht klare Regeln – Demokratiepaket jetzt! Konkret ging es ihr um eine Wahlrechtsreform, um Stadtverfassung und Geschäftsordnungen, um eine „Reform der direkten Demokratie“ (präzise Gesetzesgrundlage für Bezirks- bzw. Volksbefragungen auf Bezirksebene sowie um eine Reform der „Verbotsklauseln“ (nicht beteiligungsfähige Fragen).
Ein einfaches „ja, wir sind dazu bereit“ wäre wesentlich aussagekräftiger gewesen als ein unverbindlicher Hinweis auf Pressekonferenzen aus der Vergangenheit.

Detail am Rande: Mag. Hefelle ist jener Wiener VP-Politiker, der bis heute wider besseres Wissen immer wieder in Presseaussendungen die Initiative „Freunde des Augartens“ wegen ihres Kampfes gegen die Aushöhlung des Rechtsstaates rund um den Bau der Mehrzweckhalle im denkmalgeschützten Augarten angreift.
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Wien anders
(gerhard hager) sieht „direkte mitbestimmung der betroffenen bürger“ als „selbstverständnis ihrer politik“ und ist „daran interessiert, dass alle notwendigen schritte in richtung partizipativer demokratie unterstützt werden“. Wien anders verlangt die Förderung der direkten Demokratie „mit den mitteln des 21. jahrhunderts“ und sieht in „liquid democracy in dieser beziehung eine ausgesprochen interessante entwicklung“.
Es sieht dabei mehr nach Unschlüssigkeit aus, welche Beteiligungsform bevorzugt werden soll. Wir halten aber ein klares Bekenntnis zu der von uns entworfenen Beteiligungsform für eine Grundbedingung für eine realistische Chance, dass Bürgerbeteiligung überhaupt von den in Wien maßgeblichen Parteien ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Nur das Bekenntnis zu einem klaren, einfachen Beteiligungsmodell kann davor bewahren, dass das Thema zerredet wird
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Fazit: es wird noch vieler Überzeugungsarbeit bedürfen, um klarzustellen, dass unser Modell der partizipativen Demokratie das einfachste, raschest realisierbare und am wenigsten aufwändige Mittel ist, um in breiten Kreisen der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Beteiligung am politischen Geschehen zu bilden.

Helmut Hofmann