Dienstag, 6. Oktober 2015
Dies ist kein Plädoyer gegen zeitgenössisches Bauen.Das wäre auch sinnlos.Denndieses hat und hatte weiß Gott seine Chance: Nur zwei Nachkriegs-Generationen haben in den letzten Fünf Jahrzehnten mehr Kubaturen hinzugebaut und mehr Flächen versiegelt als ALLE GENERATIONEN IN DER MEHRTAUSENDJÄHRIGEN ZIVILISATIONSGESCHICHTE Österreichs davor.Allerdings ist es ihr nirgends gelungen,den Charme gewachsener Zentren zu erreichen.Daher versucht "neue"(?) Architektur - vielleicht auch im dumpfen Bewußtsein ihrer Kälte und Bedeutungslosigkeit - zunehmend, sich an historischer Baukunst zu reiben,um wenigstens durch Spannung und Schock an Bedeutung zu gewinnen."Gute Architektur müsse ins Zentrum" heißt der Schlachtruf der Ensemble-Brecher. "Gute Architektur braucht kein Zentrum.Gute Architektur schafft ein Zentrum" entgeg- nete ein bekannter Kritiker technokratischen Städtebaues. Die einzige Chance,das Wüten einer Brutal-Moderne im historischen Stadtkern nicht zum Kulturkrieg eskalieren zu lassen,wäre die friedliche Einigung auf einen "historischen Gradienten"(wie ihn die UNESCO ja vorsieht). Dieser bedeutet – ob in Florenz,Venedig,Bamberg oder anderen Welterbestätten - die verehrungswürdigen Reste historischer Ensembles als "unvermehrbare Güter" zu erhalten, sensibel von innen her zu revitalisieren, statt außen durch zynische Designer-Gags zu entstellen. (bestes Positiv-Beispiel: Palais Ferstl) Es gilt den historischen Gradienten von der Innenstadt zum Stadtrand hin zu befolgen, an dessen Peripherie sich das neue Bauen austoben mag, sofern dies menschlich, sozial und ökologisch noch erträglich scheint."Urbanität"(Summe aller Positva städt- ischen Lebens) entsteht dabei zwar nicht( Negativbeispiele "Tech-Gate"-Hochhaus- Cluster und Mega Glaskästen beim Hauptbahnhof). Allein diese drei Forderungen - menschlich,sozial,ökologisch - könnten ganz andere Formen entstehen lassen,denn viele hässliche Großbauten der 1970er bis 2000er Jahre sind unattraktiv und längst bauphysikalisch als "Energievernichtungsmaschin- en" entlarvt,die vor allem an dramatischer sommerlicher Überhitzung leiden - ein nüchtern-pathetischer Funktionalismus,der alles andere ist als funktional. Der viel- gepriesene "Minimalismus"des neuen Bauens ist auch alles andere als bescheiden. Das Wort kann wohl nur ein" Minimum gestalterischer Einfälle pro verbauter Million" meinen,sicher nicht seine Dimensionen,deren Gigantismus oft alle Maße sprengt. Oberstes Ziel des "Historischen Gradienten" muß es sein,nichts Unwiderbringliches mehr zu zerstören.Wer ins Zentrum will, hat sich dort zu benehmen wie ein Gast (ein neuer Maßstab für schöpferische Intelligenz) und dabei nicht nur die UNESCO zu achten sondern vor allem den Bürgerwillen. Univ.Prof. Dr. Bernd Lötsch co/ Abteilung Ökologie Naturhistorisches Museum 1010 Wien Dachausbau im 14. Bez. Ecke Sampogasse und Kienmayergasse Zoom |