AKT!ON 21

Schon dagewesen: Parteien-Getöse um Wien-Mitte


Sonntag, 22. Oktober 2006

Die Betroffenen haben andere Sorgen, aber die fragt wieder einmal niemand. Während die Wiener ÖVP mit öffentlichen Forderungen nach baldigem Baubeginn, nach Polizeiwachstube und Kindergarten Druck zu machen versucht, meiden die Beteiligten ein weitaus heikleres Projektdetail, weil es den Kern der Sache – die gnadenlose Jagd nach mehr Kubatur – berührt. Und da will sich keiner verbrennen, denn die „Mörder“-Rufe des Bürgermeisters hallen noch lange in den Ohren.

Nicht der angebliche „Schandfleck“, zu dem ÖBB und Mitverantwortliche das Areal bewusst hatten verkommen lassen, ist das wirkliche Ungeheuer, gegen das die Don Quixotes aller Couleurs mit eingelegter Lanze anreiten, sondern die – dank Kaprun – erforderliche Brandrauchentlüftung, die im leider nicht ganz so unwahrscheinlichen Ernstfall eines Brandes im Bereich der U4-Station die Fahrgäste vor dem Tod bewahren soll.

Diese Brandrauchentlüftung ist nicht etwa, wie man vermuten sollte, durch einen direkten Kaminschacht vom Bahnsteig über Dach vorgesehen, nein: im zweimal rechten Winkel soll sie mitten auf der Fahrbahn der Gigergasse (Verbindungsstraße zwischen Landstraßer Hauptstraße und Marxergasse) über eine rechteckige, 3x9 m großen Mündung in etwa 1,50 m Höhe in die Luft abgegeben werden.

Es ist schon merkwürdig, dass nicht die damit befassten politischen und administrativen Stellen, sondern anrainende Bürgerinnen und Bürger, die sich für ihre geplante Umgebung begreiflicherweise interessieren, aufzeigen müssen, was da geplant ist: ein Schacht, der im Ernstfall in Nasenhöhe eine Brandrauchmenge freigibt, die eineinhalb Mal so groß wie der Ausstoß des Fernwärmewerkes Spittelau ist! Brandrauch, dessen Toxizität aus der Untersuchung (bewusst?) ausgeklammert wurde. Brandrauch, der den (nach Verbauung durch die Bürogebäude und das Hotelhochhaus im Rahmen des Wien-Mitte Projekts) schlauchartigen Straßenzug der Gigergasse in kürzester Zeit mit dichtem, giftigem Rauch erfüllen würde, der nicht nur den angrenzenden Bewohnern und Werktätigen, sondern auch jenen Fahrgästen entgegenschlagen würde, die über die Ausgänge Gigergasse ins rettende Freie zu flüchten vermeinen. Ein Skandal, der die Fehler, die zur Katastrophe Kaprun geführt haben, weit in den Schatten stellt.

Unfähigkeit? Daran glaubt niemand. Man muss wissen, dass ein 3x9 m breiter Kamin, der im Gebäude direkt über Dach geführt wird, pro Geschoss etwa 30 m² Nutzflächenverlust bringt. Bei 8 bis 10 Geschossen sind das 240 bis 300 m². Und das wiederum bedeutet weniger Einnahmen. Wen kümmert da schon das gesundheitliche Risiko?!

Alle, die da nicht sofort aufschreien und sich gegen solche Attacken auf Leben und Gesundheit der Menschen, und so nebenbei auch auf die mutwillige Zerstörung des Straßenbildes und der Verkehrswege stark machen, machen sich der Mitwisser- und Mittäterschaft verdächtig. Hier, im Aufzeigen solcher Zusammenhänge und nicht nur bei verbotener Geschenkannahme, hätten Organisationen wie Transparency International dringenden Handlungsbedarf.

Und die Politiker wären gut beraten, in der nach wie vor von ihnen dominierten Bürgerbeteiligungsfarce Lokale Agenda21 die betroffene Bevölkerung im Geiste des Rio-Dokumentes enger in das Projektgeschehen einzubinden, um solche Planungsungeheuer von Beginn an zu vermeiden und damit auch die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

Presse: Baubescheid bis 3/2007?
Links zu diesem Thema
  • Mehr dazu bei der Bürgerinitiative Wien-Mitte (http://www.denkmalschutz.at/wien-mitte/)
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