AKT!ON 21

Offener Brief an Herrn Bezirksvorsteher Hohenberger!


Donnerstag, 26. April 2007

Dass Sie dies wohlweislich in einer Phase der Diskussion getan haben, in welcher Sie, den Spielregeln entsprechend, damit rechnen durften, dass es keine Möglichkeit einer sachlichen Erwiderung geben werde, war nicht nur schlechter Stil, sondern ein gezielter Schlag unter die Gürtellinie. Solches ist mir allerdings, auch von Ihrer Seite, nicht neu. Offenbar betrachten Sie diese Art von Schlusswort als Vorrecht eines langgedienten Vorsitzenden im Bezirk. Mit der von Ihrer Partei im letzten Wahlkampf propagierten "neuen Fairness, welche dieses Land braucht" hat eine solche Vorgangsweise allerdings herzlich wenig zu tun. Dass dieses Land - vor allem das Bundesland Wien - eine neue Fairness bräuchte, sehe ich wohl auch. Ihr Vorgehen war davon Lichtjahre entfernt. Aussagen wie in Ihrem Schlusswort zeugen zudem von einer rasch durchschaubaren Absicht: mich als Sprecher der Agendagruppe Wien Mitte zu diskreditieren, indem Sie mir unterstellen, jene faulen Kompromisse eingegangen zu sein, die ich - siehe die letzte Bezirksvertreterversammlung - anderen überlasse.

Gebrochene Diskussionsregel gegen gebrochene Fairnessregel: nur aus diesem Grund habe das Wort "an mich gerissen", vor der Öffentlichkeit Ihre Behauptungen als Unwahrheiten bezeichnet und mich gegen meine zeugenschaftliche Anrufung verwahrt. Für Begründungen hat man mir keine Gelegenheit geboten, weshalb ich Sie hiemit nachhole.

Dass Bürgerbeteiligung im 3. Bezirk besser funktioniere als in allen anderen Wiener Bezirken, hätte ich vor einem Jahr noch unterschrieben. Ich war vorsichtig genug, dies nicht zu tun, sondern die Entwicklung abzuwarten. Ich habe auch nachweislich die Aufnahme in diese Richtung gehender Behauptungen anlässlich der Auflage eines Agenda 21 - Folders gerügt; man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Wie Recht ich damit hatte, zeigt die unlängst von Ihrem Stellvertreter DI Zabrana im Steuerungsteam der LA 21 getroffene Feststellung, die Schließung der Markthalle könne überhaupt nicht Gegenstand der Lokalen Agenda 21 (und damit der Bürgerbeteiligung) sein, sondern sei lediglich eine Frage der Verhandlungen zwischen Bauträger und Standlern. Damit ist die LA 21 des 3. Bezirks nämlich genau dort gelandet, wo sie auch in anderen Bezirken gelandet ist: Politiker bestimmen, was in der LA 21 Sache ist. Ist es denn nicht bezeichnend, dass angesichts einer solchen Haltung die Sprecherin einer ganz anderen Agendagruppe spontan erklärt hat, sie habe den Eindruck, dass Themen, so bald sie unangenehm zu werden beginnen, aus der Lokalen Agenda 21 ausgegrenzt werden sollen? Ich hoffe, Sie sind mit mir einer Meinung, dass Bürgerbeteiligung anders auszusehen hat.

Dass es sich dabei nicht um eine inkompetente Entgleisung gehandelt hat, erhellt aus der Tatsache, dass der zuletzt geäußerte Wunsch der Agendagruppe, aufgrund der vielen einander teils widersprechenden und auch sonst nicht immer nachvollziehbaren Aussagen zum Thema Wien Mitte im Allgemeinen und zum Thema Markthalle im Besonderen ein runder Tisch aller Beteiligten, vertreten durch kompetente Sprecherinnen oder Sprecher, mit Ihrer Hilfe zustandegebracht werden sollte, um die Dinge einmal so zu klären, dass die Menschen im Bezirk endlich einmal erfahren, woran sie sind, und die vielen, teils dummen und als solche daher durchschaubaren Lügen endlich aus der Welt geschaffen werden. Ihr Stellvertreter im Bezirk hat dazu gemeint, ich solle nicht so naiv sein zu glauben, dass sich der Bürgermeister unserer Stadt an einen solchen runden Tisch setzen werde. Seither ist Funkstille gegenüber der Agendagruppe Wien Mitte und ihr sonst sehr bemühter und sympathischer Koordinator hat offensichtlich den Auftrag, Mikado zu spielen. Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird man diese so hoffnungsvoll begonnene Bürgerbeteiligung im Dritten begraben müssen. Es ist also nicht besser als in anderen Bezirken, obwohl dies angesichts der Handhabung der LA 21 anderswo in Wien nicht schwierig gewesen wäre - bis vor kurzem. Da hat nämlich, von Ihnen offenbar unbemerkt, Ihre Nachbarin vom 1. Bezirk endlich einmal versucht, echte Bürgerbeteiligung zu demonstrieren: sachlich, bei weitem nicht populistisch, und - so weit es bisher zu beurteilen war - auch ehrlich.

Darauf, dass sich das von Ihnen seit Jahren behauptete konsensuale "Zusammenreden" zu Wien Mitte (nicht in den Bürgerinnen und Bürgern geöffneten Sitzungen, wie Sie behauptet haben, sondern in inoffiziellen Gesprächen mit von Ihnen geladenen Personen) nicht auf die gesamte Projektproblematik, sondern lediglich auf einige nachbarrechtliche Aspekte beziehen kann, hat die Bürgerinitiative schon im Jänner 2000 vor der Abstimmung im Bezirk schriftlich hingewiesen. Die daraus resultierenden, inzwischen ohnedies obsoleten, Zugeständnisse der Bauträger an einige Nachbarn haben die massiven Einwände der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere gegen die Verkehrs- und urbanen Strukturfolgen, überhaupt nicht berücksichtigt. Dass Sie persönlich diese Tatsache einfach ignorieren, ist Ihre Sache. Das Gegenteil öffentlich zu behaupten und mich dafür als Zeugen aufzurufen, schlägt dem ohnedies übervollen Fass den Boden aus.

Ich hätte mir statt dessen erwartet, dass Sie Ihre Funktion als Bezirksvorsteher dafür verwenden, den Bürgerinnen und Bürgern Ihres Bezirkes endlich die Hand zu reichen für ein gemeinsames Vorgehen zur positiven Entwicklung des Projekts Wien Mitte, an dessen Scheitern wohl niemand interessiert sein kann. Natürlich weiß ich um die Schwierigkeiten und Zwänge, mit denen auch Sie dabei konfrontiert sind. Gerade Sie als längst dienender Bezirksvorsteher sollten sich aber diesen Widerständen stellen und die Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern, die im Grunde das Gleiche wollen, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Wien Mitte wird gegen den Willen der Bevölkerung und ohne deren positive Mitwirkung zum Misserfolg verurteilt sein, noch bevor der Abbruch begonnen hat. Mit dem Ihnen eigenen Gespür für die Menschen und nach den einschlägigen Erfahrungen mit Wien Mitte 1999 könnten und sollten Sie sich einer echten - nicht nur vorgetäuschten - Kurskorrektur öffnen.
In diesem Sinn verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Helmut Hofmann
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