AKT!ON 21

Die Wunderwaffe


Donnerstag, 18. Jänner 2007

Einkaufszentren schießen wie Schwammerln aus dem Boden. Jede mittlere und größere Neuplanung im städtischen Bereich glaubt, ohne Einkaufszentrum nicht auszukommen. Je größer, desto besser. Alle sind sich einig: es sind zu viele. Was hat es mit diesem Wildwuchs auf sich? Eine Analyse der aktuellen Lage.
Was passiert, wenn eine abgehobene Stadtplanung eine urbane Entwicklung fördert, die gleichermaßen von Einfallslosigkeit und Kurzsichtigkeit geprägt ist?
· Zuerst sieht man untätig zu, wie am Stadtrand ein EKZ nach dem anderen entsteht.
· Man stellt fest, dass so manche davon auf fremdem Territorium stehen, was mit finanziellem Entgang verbunden ist.
· Man versucht dem durch Förderung von EKZ innerhalb des eigenen Gemeindegebietes entgegenzuwirken; wenn’s ums Geld geht, kennt man keinen Spaß.
· Man kommt darauf, dass man damit gewachsene Einkaufsstrukturen (Einkaufstraßen) nachhaltig zerstört.
· Man versucht, dieses Übel durch Gesundbeten (Stichwort: „Synergieeffekte“) schönzureden.
· Nützt dies alles nichts, erfindet man den Überschmäh: die in der gewachsenen urbanen Struktur befindlichen Geschäfte - wie es weiland das sagenhafte Riesenfräulein auf Burg Niedeck im Elsaß mit einem Landwirt getan haben soll - aufs Schnupftuch packen und flugs hinein ins EKZ stellen.
Das Riesenfräulein von heute heißt Brigitte Jank, sie ist die Chefin der Wiener Wirtschaftshochburg (pardon: Wirtschaftskammer), und aus dem pflügenden Bauern auf dem Schnupftuch ist ein urbaner Kaufmann geworden, den vor solch kindischen Spielereien zu schützen und in seiner angestammten Umgebung zu bewahren leider weit und breit kein Riesenvater in Sicht ist.
Spaß beiseite: die Idee der Frau Kammerpräsidentin könnte selbst die eingefleischtesten Vertreter der Plan- und Zwangswirtschaft vor Neid erblassen lassen. Räumt sie selbst doch ein, dass der solcherart vorgeschlagene Umzug der Kaufleute ins EKZ an den dort marktüblichen Mieten scheitern könnte. Macht nix: die müssten halt gesenkt werden. Freiwillig versteht sich. Sozusagen Fair Trade im Immobiliengeschäft. Hatten wir das nicht schon einmal? Und wurden vor gar nicht allzu langer Zeit die letzten Reste dieser Mieterschutz genannten Altlast aus der Zeit nach dem 1. (!) Weltkrieg beseitigt, zumindest was die Geschäftsmieten anlangt? Zurück zur Zukunft!
Auf der anderen Seite fordert Herr Hoch (ÖVP) von Planungsstadtrat Schicker „Eingriffe, um den Wildwuchs der EKZ zu stoppen.“. Im Klartext: das Angebot an EKZ-Flächen zu verknappen, was sich nicht gerade mietensenkend auswirken würde. Da weiß wohl die Rechte nicht, was die Rechte tut.
Und was tut Schicker? Er meint: „Man kann den Wienern nicht verbieten, in ein Einkaufszentrum zu gehen.“ Als bestünde die Welt nur aus Gebieten und Verbieten.
Man sollte ganz anders fragen: Was passiert nicht? Die Antwort darauf ist sehr einfach: niemand fragt die, auf die es ankommt. Bedarfserhebung heißt das Zauberwort. Jede Kette, jeder Multi lässt eine solche Bedarfserhebung einer Filialgründung selbstverständlich vorangehen, weil vor allem sie über Sinn oder Unsinn einer solchen Filiale entscheidet. Bedarfserhebung heißt: die Menschen, die damit leben sollen, die dort einkaufen sollen, über ihre Neigung dazu befragen. Fragen? Wo kämen wir da hin? Wo doch unsere Stadtplanung ohnedies viel besser weiß, was die Leute wollen werden und was nicht, weil sie diese Prognosen ja auch bisher so treffsicher und fehlerlos beherrscht hat! Wozu also der Aufwand? Es lebe die Planwirtschaft.
Es ist aber auch viel verlangt von einer Stadtplanung, solche Fragen so zu stellen, dass die Menschen wissen, was in dem einen oder anderen Fall auf sie zukommt. Nicht dass man das nicht könnte. Im Fall der Garage Bacherpark hat Bezirksvorsteher Wimmer der Bevölkerung sehr drastisch vor Augen geführt, was alles (nicht) geschehen würde, wenn man sich gegen die Garage entscheiden würde. Und im punktgenauen Erfüllen dieser furchterregenden Vorhersagen sind deren Propheten ja auch nicht gerade säumig. Ob man allerdings auch die Größe aufbringen würde, etwa im Fall der EKZ Wien-Mitte oder Kometgründe das radikale Sterben der kleineren Geschäfte auf der Landstraßer und Meidlinger Hauptstraße im Fall einer Änderung der Einkaufsgewohnheiten zugunsten der EKZ vorherzusagen? Mitleid mit den vielfach älteren und gar nicht mehr begüterten Kaufleuten, denen dann nur noch die Hoffnung bliebe, sich in die Pension hinüberzuretten – Stichwort soziale Wärme - ? Mitleid - doch nicht mit Unternehmern, seien sie auch noch so klein! Keine Unselbständigen – keine Gewerkschafter. Selber schuld. Da hält man es lieber mit den Heuschrecken, mit den internationalen Ketten, die den Projektentwicklern das schnelle Geld bringen – hinter ihnen die Sintflut, in der nicht sie, sondern die Menschen ertrinken werden, die das Unglück nicht sehen, das auf sie zukommt.
Helmut Hofmann


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