AKT!ON 21

Bürgerversammlung als Farce?


Sonntag, 6. Mai 2007

Im § 104 c der Wiener Stadtverfassung ist festgelegt, dass eine Bürgerversammlung zur Information und Diskussion über Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse eines Bezirkes gelegen sind, abzuhalten ist, wenn sie die Bezirksvertretung beschließt oder mindestens ein Fünftel der Mitglieder der Bezirksvertretung dies verlangt oder wenn 5% der wahlberechtigten Bezirkseinwohner dies verlangen.

Eine Bürgerversammlung nur für einen Teil des Bezirkes ist über Beschluß der Bezirksvertretung abzuhalten, wenn eine Angelegenheit im Sinne des Abs. 1 nur für die Bevölkerung dieses Bezirksteiles von Bedeutung ist. Die genaue Begrenzung des Gebietes, für das die Bürgerversammlung durchgeführt werden soll, ist im Beschluß der Bezirksvertretung festzulegen. Die Bürgerversammlung ist vom Bezirksvorsteher einzuberufen und zu leiten. Allfällige Unterlagen sind mindestens zwei Wochen vor Abhaltung der Bürgerversammlung zur öffentlichen Einsicht aufzulegen.

So weit, so schlecht. Denn die Stadtverfassung schweigt sich leider über drei wesentliche Dinge aus, die sie damit dem Bezirksvorsteher "vertrauensvoll" in die Hände legt: die Festlegung des Termins, die Modalitäten der Einberufung und die Auswahl des Versammlungsortes. Damit verliert dieses ohnedies weitgehend zahnlose Instrument der Bürgerbeteiligung seinen letzten Biss als aktueller Stimmungsbarometer vor entscheidenden Abstimmungen in den dazu berufenen Entscheidungsträgern der repräsentativen Demokratie.

Schon die Voraussetzungen sind nicht ganz klar: das Minderheitenrecht von 1/5 der Mitglieder der Bezirksvertretung erübrigt den (Mehrheits)beschluss der Bezirksvertretung. Und das Verlangen von 5% der Bezirkseinwohner ist an keine nähere Formvorschrift gebunden: genügt ein mündliches Vorbringen, da Schriftlichkeit nirgends gefordert ist? Und wo ist dieses anzubringen? So sehen Bestimmungen aus, die auf geduldiges Papier setzen und nicht davon ausgehen, dass von diesem Recht jemals Gebrauch gemacht wird. Und wenn schon - so eine Versammlung kann ja nichts, rein gar nichts verbindlich festlegen.

Der Bezirksvorsteher hat dabei freie Wahl, wie lange er die Versammlung vor sich herschieben will. Wenn sie etwa zu einer Widmungsfrage erfolgt, kann er sie erst nach dem Widmungsbeschluss im Gemeinderat einberufen, um dort den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, was "in ihrem Interesse" von den Politikern beschlossen worden ist. Cool - was die Bürgerinnen und Bürger dazu meinen, ist den Politikern schnurzegal.

Der Bezirksvorsteher kann die Versammlung, an der zehntausende Bezirksbewohner teilnehmen könnten, in einem Saal ansetzen, der höchstens ein paar hundert Menschen fasst. Noch mehr: theoretisch kann er die Versammlung in seinem Amtszimmer oder auch auf dem Gang des Bezirksamts einberufen. Oder in seinem Stammcafé. Was soll der Arme denn auch tun, wenn an dem von ihm auserwählten Termin kein größeres Lokal zur Verfügung steht?

Und die Verständigung der Bezirksbürgerinnen und -bürger? Ja, die erfolgt so, wie eben im 2. Bezirk gehabt. Undurchsichtig, willkürlich, unwirksam. Die das wollen, werden schon selbst dafür sorgen, dass "ihre Leute" hinkommen. Und der Herr BV trägt dafür Sorge, dass auch "die Anderen" in genügender Zahl vor Ort sein werden. Und beruft sich dabei auf die strikte Einhaltung der rechtsstaatlichen Bestimmungen. Auch das ist ein Teil der "neuen Fairness, die das Land braucht". Bräuchte - vor allem das Land Wien.

Einmalig? O nein, alles schon einmal da gewesen. Zu Beginn dieses Jahrhunderts, im benachbarten 3. Bezirk. Da hat sich der Herr BV über ein halbes Jahr Zeit gelassen, hat dann schnell vor der Weihnachtszeit ein paar hundert Leute durch Zettelausträger (für deren Unzuverlässigkeit er natürlich nichts konnte) verständigen lassen und schließlich in einem (übervollen) Saal, der knapp 300 Personen fasst, den geballten Unmut der Bevölkerung über sich ergehen lassen. Er hat ihn ziemlich gefasst getragen, denn er war, wie schon gesagt, ohnedies zahnlos.

Es zeigt aber, wie man mit Zahnlosen in dieser Stadt umgeht. Die Lehre daraus: Bürgerinnen und Bürger, bewaffnet euch bis an die Zähne! In dieser Stadt wird Zahnlosigkeit bestraft! Nur wer kräftig zubeißt, hat hier eine Chance.
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