AKT!ON 21

Berufs-Beruferater Hora:
Was ist ein „Berufsbürger“?


Dienstag, 24. Februar 2009

Herrn Hora, seines Zeichens Wiener Gemeinderat der SPÖ, blieb es vorbehalten, das Unwort des Jahrhunderts zu erfinden: „Berufsbürger“. Dafür gebührt ihm nicht nur eine Zitrone, sondern ein ganzer Zitronenbaumhain. Was er meint, ist schon klar, wenn man frühere Wortschöpfungen aus seinem Munde zur Auslegung heranzieht wie „Berufsprotestierer“ oder „Demonomaden“.

Natürlich findet Herr Hora auch seine Vor- und Nachplapperer, denen solche mogelverpackten Bürgerschmähungen höchst willkommen sind. Im 3. Bezirk etwa, wo seine Parteikollegen in der Bezirksvorstehung versuchen, den verzweifelten Aufschrei von mehreren Dutzend gequälten Menschen, die man seit Monaten um einen geregelten Schlaf bringt, verbal und medial niederzuknüppeln, indem man sie pauschal als Querulanten anprangert. Solche Gesinnungsgemeinschaft zeugt von übler demokratischer Einstellung. Man sollte das, was man totalitären Regimen mit Recht vorwirft, nicht selbst praktizieren, vor allem dann nicht, wenn man den Begriff „sozial“ im Parteinamen führt. Das haben nämlich andere, deren soziale Einstellung auf ihre nationalen Parteigenossen beschränkt war, auch schon getan.

Sozialdemokratie und Bürgerbeteiligung

Was die Sozialdemokratie von Bürgerbeteiligung zu halten vorgibt, kann man in ihren Stellungnahmen lesen. „Grundsätzlich steht die SPÖ positiv zur partizipativen Demokratie“ heißt es da. Und: „Wir halten die Einbindung der betroffenen Bevölkerung in Planungs- und
Entscheidungsprozesse für den besten Weg, damit in Verwaltungsverfahren für alle Betroffenen eine bestmögliche oder zumindest möglichst verträgliche Lösung geschaffen wird.“
Auch: Wir treten daher für die Abschaffung des Prinzips der Amtsverschwiegenheit ein.“ Was die Wiener Sozialdemokratie von Bürgerbeteiligung wirklich hält, sieht man an den Verbalkeulen, die sie dafür erfindet. „Berufsbürger“ lautet die neueste Schöpfung. Sie entbehrt nicht einer gewissen Süffisanz, bringt sie doch zum Ausdruck, dass Bürgerbeteiligung eine Sache für Langweiler ist, die ihre Zeit mit solchem Unsinn vergeuden, weil sie sonst nichts zu tun haben. So nebenbei, und das ist doppelt infam, wird mit dem Ausdruck „Beruf“ durch die Blume signalisiert, dass sie – wie etwa Politiker – diesem Beschäftigung aus Erwerbszwecken nachgehen.

Eine erbärmlichere Demaskierung der politischen Haltung ist kaum vorstellbar. Sie ist nur erklärbar mit der Wut, die eingefleischte Politruks überkommt, wenn sie merken, dass die Bevölkerung nicht alle Suppen auslöffeln will, welche ihnen die „hohe Politik“ immer wieder einbrocken will. Wahrscheinlich rührt diese Wut daher, dass die Zahl der Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung angeschlossenen Bürgerinitiativen wächst und wächst, und dass die Erfolge, die sich im Kampf um Demokratie und Rechtsstaat da und dort einstellen, manchen „Bonzen“ dieser Stadt gewaltig in der Magengrube liegen.

„Berufsbürger“ und Berufspolitiker

Vielleicht nimmt man auch in der SPÖ irgendwann zur Kenntnis, dass sich Politik nicht auf (vorzugsweise sozialistische) Parteipolitik beschränken lässt. Das hätten manche zwar gerne, nur spielt man’s halt nicht. Politik geht jeden etwas an und lässt sich auch aus noch so bornierter parteipolitischer Sicht nicht auf Stimmzettelabgaben beschränken. Der Bürger hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, seine Meinung in politischen Fragen zu äußern: dann erst ist der Staat von demokratischem Leben erfüllt. Immerhin mehren sich die Fälle, in denen erzwungene Bürgerbeteiligung nicht nur zur Durchsetzung des Mehrheitswillens führt, sondern auch die Aufdeckung von Vorgängen nach sich zieht, die in einem Rechtsstaat nichts verloren haben. Dass es Politiker gibt, denen dies offenbar ein Dorn im Auge ist, stimmt schon sehr nachdenklich.

Fieser Spott

Ist es nicht traurig, dass ein von Ränken durchsetztes Katz- und Mausspiel mit der Bevölkerung, die ganz bewusst uninformiert gelassen und mitunter sogar noch faustdick belogen wird, den Zusammenschluss aller Fachkompetenzen, der juristischen, technischen, kaufmännischen, naturwissenschaftlichen usw. erfordert, um diesem gezielten Verwirrspiel von Politik und ihr höriger Verwaltung Paroli bieten zu können? Ist es nicht infam, von den Bürgerinnen und Bürgern zu verlangen, sie sollten sich auf ihr jeweiliges Wissen, auf ihren unzureichenden Informationsstand beschränken, damit man mit ihnen machen kann, was man mit ihnen bisher zu machen gewohnt war? Auf Ehre und Gewissen: wie hätte ein Sozialdemokrat von heute über Gewerkschaftsführer des ausgehenden 19. Jahrhunderts geurteilt? Freilich: nach dem BAWAG-Desaster ist für Gewerkschaftsführer von heute die Bezeichnung „Berufsgewerkschafter“ alles andere als eine Auszeichnung.

Es ist blanker Zynismus, solches politisches Handeln als „Berufsbürgertum“ mies machen zu wollen. Dieser „Berufsbürger“ wäre nämlich der erste Berufsstand, der seine Tätigkeit ehrenamtlich, das heißt nicht nur ohne Entgelt, sondern auch unter finanziellen Opfern für all das bei der Berufsausübung benötigte (und ohne steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, die jedem anderen Beruf zugestanden werden) ausüben muss – ganz im Gegensatz zu „Berufspolitikern“, die, wie ja auch Herr Hora, sich – natürlich im Kollektiv - selber immer wieder ganz ansehnliche Apanagen zubilligen. Aber gerade deshalb hat Herr Hora wohl auf den angemesseneren Begriff „Amateurpolitiker“ verzichtet, weil er nicht als Schmähung, sondern eher als Aufwertung aufgefasst worden wäre.

Die Berufspolitiker sollten dankbar sein, wenn Menschen aus der Bevölkerung Zeit und Geld für Anliegen der Allgemeinheit opfern, die von ihnen nicht wahrgenommen werden (wollen). Sie sollten, statt solche Idealisten zu verspotten, dankbar dafür sein, dass ihnen von ihren Wählern signalisiert wird, was sie tun sollten, wenn sie wiedergewählt werden wollen. An jenem Tag, an dem alle Bürger zu „Berufsbürgern“ werden: am Wahltag.

Helmut Hofmann


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