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Aktion 21
AKTION 21

Behutsam, aber deutlich:
Die Zivilgesellschaft begehrt auf - Eine Momentaufnahme


Sonntag, 1. Oktober 2017

An die 70 Partizipationswillige, hauptsächlich NGO-Vertreter, diskutierten am 21.09.2017 in der Urania über Öffentlichkeitsbeteiligung in Österreich. Man erinnerte sich an Aktion 21 vor 10 Jahren. Damals war der Glaube an eine beteiligungsbereite Politik noch lebendig.

Zuerst tastete man vorsichtig aneinander vorbei, um Gemeinsames zu entdecken, überparteilich, aber grün durchwachsen und auch im Schatten vor der Tür stehender NR-Wahlen. Die Vorstellung einer praktischen Umsetzung von Öffentlichkeitsbeteiligung war unterschiedlich, der tastende Hang zur Verkomplizierung unübersehbar. Deutlich auch die schon in der Eröffnungsansprache des IGO-Vorsitzenden DI Franz Neunteufl klar formulierte Absetzbewegung von der direkten Demokratie, leider im argumentatorischen Rückgriff auf das Standardrepertoire an unzutreffenden Einwänden, die eine Gefahr vorgaukeln, die in einer grundsätzlich repräsentativen Demokratie ohnedies nur auf dem Papier besteht.

Abgrenzungsfragen

Dabei liegt die Antwort, warum partizipative, oder wie Neunteufl sie nannte, „deliberative“ Demokratie (andere nennen es „Konsultative“) der direkten Demokratie vorzuziehen ist, ohnedies auf der Hand: partizipative Demokratie setzt auf gegenseitiges Überzeugen und einen daraus entspringenden optimalen Konsens. Demgegenüber ist gegenseitiges Überstimmenwollen die zweite Wahl. Übergehen wir doch nicht, dass auch die repräsentative Demokratie mit der Mehrheitskeule arbeitet und gerade deshalb der Ergänzung durch die partizipative Demokratie bedarf. Wem es um die beste Lösung geht, der wird sie mit Freuden herbeisehnen. Wem es nur um Macht und Einfluss geht, wird sich zwar hüten, öffentlich dagegen zu sein, wird sie aber um jeden Preis zu verhindern trachten. In der Regel sind das die jeweils Regierenden, ungeachtet ihrer Lippenbekenntnisse. Darauf hat Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung schon in ihrer 2009 erschienenen Publikation „Raus aus der Sackgasse“ auf S. 220 ff. ausdrücklich hingewiesen.

Mein Diskussionsbeitrag hat die Versammelten aufgerufen, gemeinsam die medialen und politischen Barrikaden zu stürmen, mit denen durch unzulässige Vermengung von direkter mit partizipativer Demokratie jedwede Öffentlichkeitsbeteiligung aufzuhalten versucht wird. Ich bin allerdings nicht sicher, ob mich dabei alle Anwesenden verstanden haben oder verstehen wollten.

Atmosphärisches

Es wurde zwar nicht offen ausgesprochen, war aber doch zu spüren, dass von vielen eine politische Kraft, die von rund einem Viertel der Zivilgesellschaft getragen wird, gezielt nicht beachtet wurde. Sympathie für oder Antipathie gegen eine Partei ist eine Sache, Partizipation als Ziel eine andere. Der Wunsch nach Öffentlichkeitsbeteiligung, die erhebliche, auf dem Boden der Legalität stehende Bevölkerungsteile negiert, ist zum Scheitern verurteilt. Von wem immer herrührende Vorgaben, wer als sich beteiligende Öffentlichkeit zugelassen ist und wer nicht, haben totalitären Beigeschmack. Jede Verweigerung der Teilhabe an demokratischen Prozessen für bestimmte Bevölkerungsgruppen ist ein Schritt hin zur Diktatur. Gerade eine ehrliche Öffentlichkeitsbeteiligung ist der beste Weg, um radikale oder extreme Positionen abzuschleifen und zu demokratischem Denken zu führen. Wer anderen diesen Weg verschließt, macht sich an deren Radikalisierung selbst schuldig.

Hauptdefizit: Frühzeitigkeit und Ergebnisoffenheit

Viele Themen, die uns seit Jahren unter den Nägeln brennen, wurden von verschiedenster Seite angesprochen. Etwa das Paradoxon, dass gerade jene Politiker, die Bevölkerungsnähe suchen, besser zu wissen vermeinen, was für die Menschen gut ist und daraus fälschlich die Richtigkeit der von ihnen gebildeten Meinung ableiten. Vor allem aber, dass die frühzeitige Einbindung und der ergebnisoffene Diskurs – die (neben informativer Ehrlichkeit) von Aktion 21 immer wieder als unabdingbare gute FEE (Frühzeitigkeit, Ehrlichkeit, Ergebnisoffenheit) propagiert – unentbehrlich seien. Auch dass mit Partizipation die (unberechtigte?) Furcht vor Machtverlust der Regierenden einhergeht. Und – mehrfach wiederholt - dass Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur eine Sache der NGO ist und auch andere Vertreter der Zivilgesellschaft eingebunden werden müssten.

Fehlende Wertschätzung

Interessant war die konkretisierte Kritik an der zu späten und unzulänglichen Information über Dinge, die zur Entscheidung anstehen, etwa die Tatsache, dass am Tag nach Ende der Frist zur Stellungnahme bereits entschieden wurde, was die Missachtung solcher Stellungnahmen zum Ausdruck bringe. Überhaupt mangle es an der Wertschätzung, wenn Stellungnahmen aus der Zivilgesellschaft nicht einmal der Mühe und dem Aufwand entsprechend beantwortet werden. Die angeblich willkommene Information der Politik durch die Bevölkerung könne keine Einbahnstraße sein und erfordere eine wertschätzende Rückkoppelung angesichts des freiwilligen und unentgeltlichen Aufwands für das Sammeln tausender Unterschriften unter eine Petition oder der mühevollen Abfassung seitenlanger Stellungnahmen durch fachkundige Menschen aus der Zivilgesellschaft.

„Es ist schwierig, Gesetze zu schreiben“

Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass die einzelnen Abgeordneten besser als ihr Ruf seien, was im persönlichen Gespräch zum Ausdruck komme. Wenn es Widerstand gegen die Transparenz von Ausschüssen und Unterausschüssen gebe, dann liege dies auch an mangelnder Fairness im Umgang mit den daraus gewonnenen Informationen. Hier bedarf es einer völligen Änderung der Informationskultur, die derzeit durch mangelndes Vertrauen gekennzeichnet sei. Fazit: bei den Abgeordneten wäre die Bereitschaft zu Änderungen ansatzweise vorhanden.

Stimme aus Stuttgart…

In einer abschließenden Runde kamen die Stuttgarter Stadträtin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung Gisela Erler sowie die Minister Drozda und Mahrer zu Wort. Interessant war Erlers Hinweis, dass es seit der im Gefolge der Bahnhofbau-Proteste installierten Bürgerbeteiligung keine größeren Konflikte mehr gegeben habe, obwohl genug Konfliktpotenzial vorhanden wäre. Ehrlich war auch der Hinweis, dass es zwar oft nicht um das „ob“ gehe, wohl aber um das „wie“, auf das die partizipierende Zivilgesellschaft beträchtlichen Einfluss habe.

…und der österreichischen Regierung

Erwartungsgemäß enttäuschend der Auftritt unserer Bundesminister. Wenn aus dem Mund Mahrers wiederholt wird, die Zivilgesellschaft sei nicht die Summe der NGO, dann hat das ohne Aufzählung der Maßnahmen, die seitens der Regierung bereits für eine funktionierende Bürgerbeteiligung getroffen wurden, einen eher schalen Beigeschmack. Er besteht darin, dass man sich zwar einer einigen und großen Schar von NGO mit artikulierten Vorstellungen von Öffentlichkeitsbeteiligung gegenübersieht, aber „mangels legitimer Vertretung der übrigen Zivilgesellschaft“ halt leider, leider noch immer nicht den kompletten geeigneten Ansprechpartner vor sich hat. Das wird zwar nicht ausdrücklich so formuliert, kommt aber trotzdem so rüber, wenn „DIE Zivilgesellschaft als Diskussionspartner und Ideenlieferant“ apostrophiert wird.

Ausreden?

Auch der Zeitdruck, unter dem die Gesetzwerdung oft stünde, wird bemüht, freilich ohne hinzuzufügen, dass für die der Planung kundige Spezies Mensch jeglicher Zeitdruck durch Planungsfehler oder bewusst verspätetes Aufgreifen einer zu entscheidenden oder erledigenden Materie entsteht. Angesichts großer Eloquenz und einer rekordverdächtigen Redegeschwindigkeit lässt sich das im jeweiligen Augenblick von den meisten Anwesenden schwer durchschauen: der Minister hat ja solche Attitüden virtuos anzuwenden gelernt.

Anders in seiner Art, nicht aber im Ergebnis, Drozda. Aus seinem Mund klingen die Worte „Ich bin auf die Verfassung vereidigt“ angesichts seines Verhaltens gegenüber der zum innerstaatlichen Recht gewordenen Welterbekonvention kläglich und treibt der Stadtbildschutz-Initiative die Zornesröte ins Antlitz. Gleiches gilt für die Zusicherung, man greife ja ohnedies auch auf Experten aus der Zivilgesellschaft zurück; der Moderator DI Neunteufl hat sie schlagfertig mit der Frage nach der Rückmeldung beantwortet.

Die von Christoph Konrad festgestellte Verlagerung von Kompetenz und Wissen vom Mandatar zum Wähler erstreckt sich offensichtlich auch auf Regierungsmitglieder, die mehr und mehr auf die Rolle von Moderatoren reduziert werden, die dieses Wissen zwar abrufen, aber selbst nicht verwerten können, dürfen oder wollen.

Wunsch nach Expertenteilhabe

Als Fazit blieb der konkrete Wunsch nach einer Datenbank, in die sich NGO als Experten für die jeweilige Materie eintragen können und in der Folge auch bei entsprechenden Materien beigezogen werden. Was geschieht, wenn solche Materien – wie etwa Öffentlichkeitsbeteiligung selbst - erst gar nicht zur Diskussion gestellt werden, wo also Meinungsunterschiede gar nicht erst aufkommen können, wurde allerdings nicht erwähnt.

Trotzdem: eine Veranstaltung, wie sie einfach notwendig ist, um die Öffentlichkeit in ihrem Bewusstsein zu stärken, dass sie DER SOUVERÄN ist.

Helmut Hofmann
 
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