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Samstag, 3. Februar 2007

Reinhard Seiß: „Wer baut Wien?“

Die Präsentation des Buches „Wer baut Wien?“ von Reinhard Seiß gestaltete sich zu einem Triumph der Wahrheit. Die logische Konsequenz müsste der Rücktritt einer Reihe führender Wiener Kommunalpolitiker sein, wenn – wie Stadtrat Schicker im Zusammenhang mit Wien-Mitte zu formulieren beliebte – man in Österreich Rechtssicherheit immer garantieren könnte. Freilich ist dies auch eine Frage der Rechtsinterpretation, und wie sehr diese im Argen liegt, das zeigen die von Seiß ausführlich gebrachten Beispiele aus der Wiener Baupraxis nur allzu deutlich, ohne dabei auch nur irgendeine Wertung auszusprechen. Die aufgezeigten Fakten sprechen eine beredtere Sprache, als es Kommentare, wertende Kritiken und Angriffe je vermöchten. Es ist das Verdienst des Autors, sie so schlüssig und aussagekräftig aneinandergereiht zu haben.

„Wer baut Wien“ ist für Aktion21 – pro Bürgerbeteiligung in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Zum ersten ist es ein Buch eines Architekten für Architekten. Es ist ja kein Geheimnis, dass mit Ausnahme einiger Zunftgenossen, die sich von Aufträgen aus dem Dunstkreis der Stadtgewaltigen oder deren Protegés abhängig gemacht haben – von den unmittelbar oder mittelbar in ihrem Sold Stehenden ganz zu schweigen – die überwältigende Mehrheit der Architekten angesichts der in Wien gängigen Praktiken je nach Temperament in Aggression, Resignation oder gar Depression flüchtet. Der Versuch, die Bevölkerung in eine Frontstellung gegen „die Architekten“ und „die moderne Architektur“ zu drängen, ist längst als Schützenhilfe jener - glücklicherweise wenigen - selbsternannten Vorkämpfer modernen Bauens entlarvt, welche sie der Hand, die sie füttert, schuldig zu sein glauben.

Zum anderen hat die an die Buchpräsentation anschließende Diskussion gezeigt, dass eine gesunde, nachhaltige Entwicklung der Städtebaues nur unter Beteiligung der betroffenen Bevölkerung stattfinden kann und unter Berücksichtigung des in Rio beschlossenen Dokumentes Agenda 21, welches Bürgerbeteiligung festschreibt. (Andrea Breitfuß). Das ist – mit Ausnahme der Wiener Stadtplanungsverantwortlichen – für alle anderen bereits selbstverständlich.

Zum dritten schließlich wird die Verbreitung dieses Buches – ein großer Tisch, auf dem sich die vom Verlag bei der Präsentation aufgelegten Exemplare türmten, war zu Ende der Veranstaltung leergefegt – dafür sorgen, dass es nicht mehr so weitergehen wird, wie in „Wer baut Wien“ dargelegt. Es ist der unschätzbare Vorteil einer Demokratie, dass die Wahrheit, wenn man sie auch noch so geschickt zu unterdrücken versucht, letzten Endes ihr Ventil findet, um an das Licht einer breiteren Öffentlichkeit zu gelangen. Der Kampf so mancher Bürgerinitiative gegen monströse und dubiose Vorhaben, die in dem Buch noch keine Erwähnung finden konnten, erhält alleine schon dadurch Unterstützung, dass die damit verbundenen Vorgänge und damit auch die dahinter stehenden Personen angeprangert werden. Solcherart wissen diese wenigstens, dass dies auch in Zukunft nicht nur möglich, sondern auch mit Sicherheit der Fall sein wird.
„Wer baut Wien?“ ist eine Pflichtlektüre für jeden, dem das Schicksal seiner Stadt nicht gleichgültig ist. Zudem ist das Buch spannend zu lesen wie ein exzellenter Krimi. Man könnte es auch für einen solchen halten, wenn es nicht die nackte, lautere Wahrheit wäre.

Helmut Hofmann


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